8
Mai
2005

Schutzschild gegen das Böse

Errinerung an das Böse soll uns als Schutzschild gegen das Böse dienen!

Es war einmal, da lebte in einem fernen Lande ein guter König. Eines Tages sagten ihm seine Sterndeuter, die nächste Ernte werde verflucht sein, und wer von ihr esse, verfalle dem Wahnsinn. Also ließ er einen riesigen Kornspeicher bauen und lagerte dort alles ein, was von der letztjährigen Ernte übrig geblieben war. Sodann vertraute er den Schlüssel zum Kornspeicher seinem engsten Freund an und sagte zu ihm: "Wenn meine Untertanen und ihr König vom Wahnsinn befallen sein werden, sollst du ganz allein das Recht haben, den Kornspeicher zu betreten und unverseuchte Nahrung zu essen. Auf diese Weise entgehst du dem Fluch. Dafür aber fällt dir eine lebenswichtige und unmögliche Aufgabe zu. Du musst kreuz und quer durch die Welt wandern von einem Lande zum andern, von Stadt zu Stadt, von Marktflecken zu Marktflecken und von Person zu Person und aus Leibeskräften rufen: Gute Leute, vergesst nicht, dass ihr wahnsinnig seid! Frauen und Männer, vergesst nicht, vergesst doch bitte nicht, dass ihr wahnsinnig seid!"

Diese Erzählung des großen Rabbi Nachman von Brazlaw, einem Vorläufer von Franz Kafka, gilt gewiss für das Jahrhundert, das eben zu Ende ging, ein Jahrhundert, in dem in der Geschichte der Wahnsinn ausbrach und sie oft zum Alptraum werden ließ. Darum gehen auch wir Zeugen durch die Welt, um einfach zu verkünden:
"Vergesst nicht, dass Ihr wahnsinnig wart, vergesst nicht, dass die Geschichte den Wahnsinn beherbergte."

Der Wortlaut aus der Rede von Elie Wiesel vor dem Deutschen Bundestag Berlin, 27. Januar 2000.
Anlässlich des heutigen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus und zum 60 Jahre Kriegsende.

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